Praxis für Psychotherapie Dr. Phil. Arnim Krüger




Psychosomatischer Konflikt und integrative Gruppenpsychotherapie bei psychosomatischen Erkrankungen (speziell bei Asthma bronchiale)

Psychotherapie innerhalb der pulmologischen Behandlung des Asthma bronchiale ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Klumbies negiert sogar eine allgemeine Indikation von Psychotherapie beim Asthma bronchiale. [1] Müller/Fischer und Boettcher/Kroemer meinen, daß Psychotherapie nur als Mitbehandlung innerhalb der medikamentösen und physikalischen Therapie des Pulmologen/Allergologen wirksam werden könne, sich seinem ärztlichen Tun unterzuordnen habe und Psychotherapie vor allem der Verbesserung und Vertiefung der Arzt-Patient-Beziehung zu dienen habe. [2] Auch wird Psychotherapie innerhalb der Asthmabehandlung oft auf Entspannungsverfahren (vor allem auf das Autogene Training) reduziert. [3] Hier wird sicherlich der Wirkung des Autogenen Trainings Rechnung getragen, da sich mit ihm z.B. ein durchschnittlicher Abfall des Atemwegswiderstandes ("volumenkorrigierte Resistance") von 46% erreichen läßt.

These 1: Der Asthmatiker ist körperlich und auch im erheblichen Maße psychisch krank, aber es gibt kein "psychogenes" Asthma.

Die körperliche Seite des Asthma bronchiale ist "erforschter", die psychische "unerforschter". Diese Tatsache ist ein Spiegelbild des Vorherrschens des bio-physikalischen KrankheitsmodeIls in der Pulmologie sowie in der gesamten Medizin, im Gegensatz zum bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnis. Es ist nahezu ein Henne-Ei-Problem, ob die psychische Störung durch das Asthma oder das Asthma durch eine psychische Störung mitbedingt ist. Unbestritten ist sicherlich die körperliche Voraussetzung und damit ein wesentlicher Anteil bei der Entstehung eines Asthma bronchiale: die Hyperreagibilität des Bronchialsystems. Aber ob diese ererbt oder frühkindlich erworben ist, ist ein bis jetzt ungeklärtes medizinisches Problem. Erworben - das hieße auch, daß dabei psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen. Jüngste Veröffentlichungen der American Thoracic Society (6/89) machen darauf aufmerksam, daß die Hyperreagibilität vielleicht eher eine Folge als Grundlage von Atemwegserkrankungen ist. [4]

Die zu konstatierende Zuwendung der Psychotherapeuten zum frühkindlichen Konflikt- und Störungspotential macht auch ein Überdenken bisheriger psychosomatischer Ätiologie erforderlich (Konversionsmodell/Freud; vegetative Neurose/Alexander; Alexithymiekonzept/Sifneos; Basiskonflikthypothese/Kutter etc.). Der körperorientiert arbeitende Psychotherapeut erkennt die psychosomatische Störung eher als Konflikt zwischen Zurückhaltung und Hingabe (Reich), den das Kleinkind mehr als Frustration des archaischen und triangulären und weniger des ödipalen Bedürfnisniveaus erlitt. Die psychosomatische Störung bzw. die Prädisposition ist dazu also meist präverbal bzw. präödipal erfahren. Zurückgehalten wird die intrapsychisch-körperliche Emotionalität (Lust, Angst, Wut). Der Konflikt zwischen Zurückhaltung und Hingabe äußert sich als Kontaktabbruch zwischen intrapsychisch-körperlicher und interaktionell-sozialer Emotionalität.

Der Asthmatiker ist gekennzeichnet durch eine chronische Haltung der Einatmung und durch eine flache Atmung, durch das Hochhalten und durch die Unbeweglichkeit des Brustkorbs. Die Einatmungshaltung ist das wichtigste "Werkzeug" der Unterdrückung von Emotionen jeder Art.

Über endokrinologische Wirk- und Übertragungsmechanismen der Hormone, Neurotransmitter und Neuropeptide und dabei vor allem über neurobiologische Wirkmechanismen von Peptiden können dann eine bestimmte Klasse von konfliktären interpersonell-sozialen Situationen früher oder später anteilig an der Entstehung und Unterhaltung des Asthma bronchiale beteiligt sein. "Anteilig" heißt hier, daß psychische Faktoren nicht alleinig Asthma verursachen können. Denn es gibt körperliche, psychische und andere Anteile, die es zur Trias Hypersekretion, Schleimhautödem und Bronchospasmus, die den Asthmaanfall ausmacht, kommen lassen. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, daß psychische Faktoren bei 67% aller Patienten an der Auslösung des Asthmaanfalls mitbeteiligt sind. Die relative Bedeutung (Mitauslösung) anderer Auslöser verteilt sich zum Vergleich etwa so: Allergene = 47 %, Infekte = 80 %, physikalische Reize (Rauch, Kälte/Feuchtigkeit, körperliche Belastung) = 47 %, Analgetika = 7% und endogene/hormonelle Auslöser = 10 %. [5]

Solche psychosozialen Auslösesituationen sind u.a.: [6]

  • ein Wechsel in der Beziehung zwischen zwei Menschen, die Angst vor Trennung oder Verlust entstehen läßt, oder auch Angst vor zu viel Nähe,
  • intensive Gefühle von Schuld, Ärger, Angst oder Furcht vor einer Gefahr, aber auch ängstigende intensive sexuelle Gefühle,
  • Ausnutzen von Asthmaanfällen für sekundären Krankheitsgewinn (,um eine unangenehme Situation zu vermeiden),
  • Asthmaanfälle in der Zeit vor und nach der Menarche, in der verschiedene ungelöste psychische Konflikte der Vorpubertät und Pubertät bestehen,
  • Gerüche durch direkte Kontamination mit der Nasenschleimhaut, aber auch durch individuelle Bedeutsamkeit für den einzelnen Asthmatiker.

Weitere psychosoziale Auslösemöglichkeiten (auch hinsichtlich der o.g. Prädisposition), die im frühkindlichen Bereich liegen und die wesentlich durch gestörte Mutter-Kind-Beziehung bzw. Eltern-Kind-Beziehung bedingt sind, sollen hier unerwähnt bleiben.

Für den Nicht-Asthmatiker sind die o.g. Situationen mehr oder weniger ubiquitär. Beim Asthmatiker aber wird bei einer insuffizienten gefühlsmäßigen Bewältigung dieser Situationen sein Locus minoris resistentiae - sein Bronchialsystem - pathogen aktiviert. Diese Aktivierung, gemeint ist der Spasmus, begründet sich durch das defizitäre Erleben seiner intrapsychisch-körperlichen Emotionalität. Genau dieses Defizit ist es, welches ihn anteilsmäßig von der psychischen Seite her prädisponiert für psychosomatische Erkrankungen bzw. konkret für das Asthma. Denn wo andere ihre Gefühle "rauslassen" können, da kann der Asthmatiker sie nur "verkrampft" auf seine Bronchien leiten. D.h., der Asthmatiker ist relativ unfähig, seine intrapsychisch-körperliche Emotionalität als interaktionell-soziale Emotionalität nach "außen" zu bringen und umgekehrt.

Damit ist der psychodiagnostisch auffällige Patient nicht der "schwierige Problempatient", dessen Patientencompliance zu wünschen übrig Iäßt. Es ist auch nicht der "willenskranke" bzw. "willensschwache" Patient. Es ist nicht der überängstliche oder ausgeprägt psychisch gestörte Patient. Der psychodiagnostisch relevante Asthmapatient ist der, welcher unter dem Kontaktabbruch zwischen intrapsychisch-körperlicher und interpersonell-sozialer Emotionalität über das Syndrom psychisch und körperlich leidet. Er leidet quasi an einer "Neurose im und des Körpers" - das ist das Wesen der Psychosomatose.

These 2: Die ganzheitliche Behandlung des Asthma bronchiale erfordert ein Verlassen der dualistischen Trennung in eine Medizin des Körpers und eine Medizin der Seele.

Bei der Konzipierung einer integrativen Gruppenpsychotherapie für Asthmatiker ließen wir uns zum einem von den psychotherapeutischen Behandlungsnotwendigkeiten leiten, die sich aus der Psychodiagnostik asthmatischer Patienten selbst ergaben. Zum anderen orientierten wir uns dabei an den Therapiekonzepten Venner und Schüffel, Herrmann, Dahme, Richter und Maaz. [7]

Ca. 40% aller asthmatischen Neuzugänge unserer Klinik sind psychodiagnostisch auffällig. 25 % der Neuzugänge sind im weiteren Sinne psychotherapeutisch behandlungsbedürftig, bei 9 % liegt im engeren Sinne eine umittelbare Indikation für eine persönlichkeitszentrierte Psychotherapie vor. Dies deckt sich mit den Angaben von Deter, der zeigen konnte, daß die psychosoziale Situation allgemein je nach Alter und Geschlecht für 10-45 %, im Mittel für 30 % der Patienten eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Erkrankung spielt. [8]

Folgende Indikationskriterien wurden für die Teilnahme an der integrativen Gruppenpsychotherapie erstellt:

  • die medizinisch gesicherte Differentialdiagnose "Asthma bronchiale" oder andere chronisch entzündlicher und degenerativer Bronchopathien, einschließlich der festgestellten Hyperreagibilität des Bronchialsystems bzw. im weiteren Sinne der Luftwege überhaupt, der Art und des Schweregrades der Lungenfunktionsstörung (restriktiv, obstruktiv etc.) und der allergologischen Abklärung. Differentialdiagnostisch muß geklärt sein, inwieweit der Patient bereits stark sekundär und damit eventuell irreversibel geschädigt ist, was u.U. eine Psychotherapie ausschließt.
  • Im Sinne des Konzeptes der Versuchungs- und Versagungssituationen nach Schultz-Hencke [9] muß die Auslösung des ersten Asthmaanfalls i.S. der Mitbeteiligung durch psychische Faktoren gesichert sein (vgl. o.g. Auslösesituationen).
  • Die psychodiagnostische Sicherung einer neurotischen Entwicklung (sekundäre psychische Fehlentwicklung) oder einer Neurose (primäre psychische Fehlentwicklung). Die auslösende Situation für die psychische Fehlentwicklung und für das Asthmatischen können, aber müssen nicht identisch sein. Meist ist die auslösende Situation für das neurotische Geschehen zeitlich-biographisch der Auslösung für das Asthma vorgelagert.

Anteilig aus der medizinischen Differentialdiagnose und aus der psychodiagnostischen Beurteilung läßt sich erst die psychotherapierelevante Psychosomatose "Asthma bronchiale" beim einzelnen Patienten bestimmen. Diese Anteile bestimmen dann auch die Bildung einer psychodynamischen Hypothese und die Erarbeitung einer therapeutischen Vereinbarung mit dem Patienten.

Ohne hier näher auf die Psychopathologie der sog. "Asthmatikerpersönlichkeit" einzugehen, [10] eruierten wir aus der Psychodiagnostik drei therapeutische Schwerpunkte bzw. Zielstellungen.

Zum ersten handelt es sich um psychodynamische Therapieschwerpunkte. [11] Dies sind z.B.:

  • den "Affekthunger" des Asthmapatienten stillen,
  • die Furcht des Patienten vor Zurückweisung vermindern,
  • die Angst reduzieren, die den Patienten davon abhält, Ärger auszudrücken und zu erleben,
  • dem Patienten helfen, Ärger so auszudrücken, daß er weder für ihn selbst noch für andere "schlimm" wird.

D.h., Psychotherapie soll dem Patienten u.a. Zugang zu den eigenen psychodynamischen Entstehungs- und Unterhaltungsbedingungen seiner Krankheit ermöglichen. Denn vor Beginn seiner Psychotherapie hat der Patient in der Regel nur ein somatisch orientiertes Bewußtsein über die Erkrankung. Die gewichteten Einflußgrößen z.B. auf den Atemwegswiderstand vor und nach der integrativen Gruppenpsychotherapie mögen dies verdeutlichen.

 
 
Rangfolge
Einflußgröße
Wichtung
1.
Obstruktive Atembeschwerden (ASL)
1,085
2.
Nervöse Ängstlichkeit (ASL)
0,990
3.
Hysterie (MMPI)
0,437
4.
Depressivität (MMPI)
0,394
5.
Hypochondrie (MMPI)
0,377
6.
Hyperventilationssymptome (ASL)
0,241
7.
Ärgerliche Gereiztheit (ASL)
0,179
8.
Alter
0,166
9.
Müdigkeit (ASL)
0,091
10.
Gesamtneurosewert (MMPI)
0,024
11.
Geschlecht
0,022
 

Tab. 1: Gewichtete Einflußgrößen auf den Atemwegswiderstand - vor der integrativen Gruppenpsychotherapie (n=21)

Die Tabelle zeigt, daß vor der Psychotherapie das Erleben von erschwerter Atmung, Atemgeräuschen, Engegefühl in der Brust und von Erstickungsgefühlen als körperliches Geschehen im Vordergrund steht.

Während und nach der Psychotherapie verändern sich die Einflußgrößen von ihrer Qualität her. Die Psychodynamik, die sich testdiagnostisch im sog. "psychosomatischen V" des MMPI widerspiegeln Iäßt, gewinnt an Einfluß. D.h., der Patient beginnt, seine Krankheit auch als psychisches Geschehen zu erleben und damit auch ihre Beeinflußbarkeit zu erkennen.

 
 
Rangfolge
Einflußgröße
Wichtung
1.
Hypochondrie (MMPI)
2,930
2.
Hyperventilationssymptome (ASL)
2,403
3.
Hysterie (MMPI)
1,323
4.
Depressivität (MMPI)
0,971
5.
Internalität (KKG)
0,945
6.
Soziale Externalität (KKG)
0,919
7.
Obstruktive Atembeschwerden (ASL)
0,539
8.
Müdigkeit (ASL)
0,523
9.
Geschlecht
0,506
10.
Zufriedenheit / Therapie - Arbeitsphase (Soziogramm)
0,463
11.
Fatalistische Externalität (KKG)
0,438
12.
Gesamtneurosewert (MMPI)
0,417
13.
Ärgerliche Gereiztheit (ASL)
0,409
14.
Berührtheit / Therapie - Arbeitsphase (Soziogramm)
0,168
15.
Alter
0,152
 

Tab. 2: Gewichtete Einflußgrößen auf den Atemwegswiderstand - nach der integrativen Gruppenpsychotherapie / Katamnese (n = 21)

Der zweite Rangplatz (Hyperventilationssymptome ) deutet übrigens auf ein interessantes therapeutisches Phänomen bei Asthmatikern hin. Bei einzelnen Patienten kommt es zum Symptomwandel von Asthma zur Hyperventilation bis gar hin zu reinen Angstanfällen mit geringer körperlicher Begleitsymptomatik. Diese reinen Angstzustände sind dann psychotherapeutisch noch "einfacher" zugänglich.

Der zweite Therapieschwerpunkt der integrativen Gruppenpsychotherapie ist der copingorientierte Therapieschwerpunkt. Diese Zielstellung läßt sich am besten auf folgende Formel bringen: Nicht das Asthma beherrscht den Asthmatiker, sondern der Asthmatiker das Asthma. Die Internalität eines Patienten vor bzw. nach einer Psychotherapie ist ein entscheidender Indikator für zu erreichendes bzw. erreichtes erfolgreiches Copingverhalten. Internalität besagt, daß eine Person glaubt, gesundheits- und krankheitsbezogene Ereignisse selbst kontrollieren zu können. Bei Internalität besteht auch eine entsprechende Handlungsbereitschaft, den eigenen Gesundheitszustand zu erhalten bzw. an der Überwindung einer Erkrankung zu arbeiten.

 
 
Rangfolge
Einflußgröße
Wichtung
1.
Hypochondrie (MMPI)
1,641
2.
Hyperventilationssymptome (ASL)
0,656
3.
Nervöse Ängstlichkeit (ASL)
0,453
4.
Hysterie (MMPI)
0,375
5.
Depressivität (MMPI)
0,371
6.
Zufriedenheit / Therapie - Arbeitsphase (Soziogramm)
0,250
7.
Müdigkeit (ASL)
0,203
8.
Alter
0,188
9.
Ärgerliche Gereiztheit (ASL)
0,172
10.
Obstruktive Atembeschwerden (ASL)
0,141
11.
Berührtheit / Therapie - Arbeitsphase (Soziogramm)
0,133
12.
Gesamtneurosewert (MMPI)
0,080
13.
Geschlecht
0,020
 

Tab.3: Gewichtete Einflußgrößen auf die Internalität - nach der integrativen Psychotherapie / Katamnese (n=21)

Der dritte körpertherapeutische Therapieschwerpunkt reflektiert eines der Grundprobleme von psychosomatisch Erkrankten und damit auch von Asthmatikern. [12] Er dient u.a. der Überwindung des therapeutisch recht unproduktiven Alexithymiekonstruktes. Wer tatsächlich mit psychosomatisch erkrankten Patienten arbeitet, erkennt recht bald, daß es sich nicht um ein "Fehlen von Wörtern für Gefühle" bei diesen Patienten handelt, sondern daß eher ein Wahrnehmungsdefizit und damit defizitäres Erleben der intrapsychisch-körperlichen Emotionalität vorliegt. [13] Genau diese Defizit ist es, welches ihn anteilsmäßig von der psychischen Seite her prädisponiert für psychosomatische Erkrankungen. Und diese Prädisposition wiederum erfährt der Patient meist schon durch einen präödipalen Konflikt. Der Sinn der Körpertherapie besteht darin, diese intrapsychisch-körperliche Emotionalität wieder erlebbar zu machen und sie in einen ganzheitlichen Zusammenhang zur interaktionell-sozialen Emotionalität zu bringen, die von der Gruppenpsychotherapie zum Tragen gebracht wird. Es geht also um das Herstellen des emotionalen Kontaktes zum Selbst des Patienten, wenn man davon ausgeht, daß da vorher ein Kontaktabbruch war. Maaz verwendet auch den Begriff der Legierung für diesen therapeutischen Vorgang.

Integrative Gruppenpsychotherapie muß den somatischen, psychischen und sozialen Bedingungsfaktoren des Asthma bronchiale Rechnung tragen. Wir praktizieren daher folgende Therapiebestandteile und versuchen, sie ganzheitlich wirksam werden zu lassen.

Erstens: medikamentöse Therapie über die Gesamtzeitdauer der Gruppenpsychotherapie von 7 (+2) Wochen entsprechend den nationalen und internationalen Standards (vgl. Schultze-Werninghaus und Debelic). Diese medikamentöse Betreuung liegt in der Verantwortung eines Pulmologen (mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung).

Zweitens: intendiert dynamische Gruppenpsychotherapie nach dem "Jenaer Modell" (vgl. Venner). Die Gruppenpsychotherapie liegt in der Verantwortung eines Therapeuten und einer Co-Therapeutin (bzw. geschlechtlich umgekehrt), die beide entsprechende körper- und gruppentherapeutische Selbsterfahrung besitzen sollten.

Drittens: Körpertherapie: Bis zum Kippvorgang beschränkt sich die Körpertherapie auf bioenergetische und Körperwahrnehmungsübungen. [14] Auch werden hier Elemente der kommunikativen Bewegungstherapie [15] und der konzentrativen Bewegungstherapie [16] verwandt. In der Arbeitsphase beginnt die eigentliche bioenergetische Körperarbeit, die gestaltherapeutisch ergänzt werden kann. Die Körpertherapie wird verantwortlich von einem Körpertherapeuten durchgeführt.

Viertens: Vermittlung von psychophysiologischen Atem- und Entspannungstechniken. Gemeint sind hier das Autogene Training und Atemtechniken, wie sie etwa von Middendorf [17] und von Speads [18] gelehrt werden. Diese Techniken werden durch die Co-Therapeutin vermittelt.

Die zeitlichen Anteile der einzelnen Therapiebestandteile betragen etwa auf den Tag verteilt:

  • medikamentöse Therapie (Gruppenvisite) = 20-30 Minuten,
  • Körpertherapie = 90 Minuten,
  • Gruppenpsychotherapie = 90 Minuten,
  • Vermittlung von Atem- und Entspannungstechniken = 60 Minuten,
  • Mal- und Gestaltungstherapie = 60 Minuten,
  • Arbeit an einem Gruppenprojekt = 90 Minuten.

Das zeitliche Verhältnis von Körper- und Gruppenpsychotherapie ist je nach den Integrationserfordernissen des therapeutischen Prozesses variabel gestaltbar.

Die einzelnen Therapeuten fühlen sich als Therapeutenteam verbunden. Zum Therapeutenteam gehören der Pulmologe, der Therapeut, die Co-Therapeutin, der Körpertherapeut, eine Physiotherapeutin (für den Frühsport der Gruppe verantwortlich) und ein(e) Supervisor(in). Das Therapeutenteam tagt nach der Körper- und Gruppenpsychotherapie 60 Minuten. Der Supervisor leitet diese Treffen nach den Prinzipien der Balint-Gruppenarbeit. Gegenwärtig können wir zwar noch keine kontrollierte Effektstudie zur integrativen Gruppenpsychotherapie aufzeigen, aber die ersten Ergebnisse lassen darauf schließen, daß die asthmatischen Patienten, die an einer integrativen psychotherapeutischen Behandlung teilnahmen, im Vergleich zu herkömmlichen nur internistisch-pulmologisch behandelten Patienten deutliche, klinisch relevante Besserung zeigten.

 
 
  vor der integrativen Gruppenpsychotherapie
nach der integrativen GPT (Katamnese)
Vitalkapazität (die dem Patienten bei max. In- und Expiration zur Verfügung stehende Luft)
x = 82,71 %
s = 22,58 %

x = 85,29 %
s = 21,52 %
(signifikanter Unterschied bei 64 % der Patienten)

Atemwegswiderstand (Resistance)
x = 4,47
s = 3,40

x = 3,60
s = 2,06
(bei 83 % der Patienten sign.)

 

Tab. 4: Prä- / Post-Vergleich der Lungenfunktionsdiagnostik (n=21)

 
 
  vor der integrativen Gruppenpsychotherapie
nach der integrativen GPT (Katamnese)
Hypochondrie (MMPI)
x = 60,29
s = 9,23

x = 57,10
s = 9,71
(signifikanter Unterschied bei 85 % der Patienten)

Depressivität (MMPI)
x = 59,71
s = 9,41

x = 56,50
s = 9,48
(bei 85 % sign.)

Hysterie (MMPI)
x = 65,29
s = 8,31

x = 61,75
s = 10,61
(bei 87 % sign.)

Gesamtneurosewert (MMPI)
x = 62,71
s = 8,86

x = 58,90
s = 11,37
(bei 88 % sign.)

 

Tab. 5: Prä- / Post-Vergleich der Persönlichkeitsdiagnostik (n = 21)

Von der Tendenz her entsprechen diese Ergebnisse denen, die Deter eruieren konnte:

Wirkung der Therapie: (Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe / n=16)

  • FEV 1 verbessert
  • schwere Asthmaanfälle seltener
  • spezifischer Conductance durch Autogenes Training erhöht
  • Steroidmedikation verringert (Tendenz)
  • weniger Arbeitsunfähigkeitstage

Katamnese: (1,6 Jahre nach Therapieende)

  • Abnahme der Arbeitsunfähigkeit von 57 Tagen/Jahr (vor Therapie) auf 17 Tage/Jahr (nach Therapie)
  • Abnahme der stationären Behandlung von 24 Tagen/Jahr (vor Therapie) auf 3 Tage/Jahr (nach Therapie)
  • subjektive Verbesserung der familiären Situation und der Bewältigungsmöglichkeiten.


ANHANG

Atmung - Assimilation des Lebens

Bei Erkrankungen, die mit der Atmung im Zusammenhang stehen, sollte man sich folgende Fragen stellen:

  1. Was verschlägt mir den Atem?
  2. Was will ich nicht hinnehmen?
  3. Was will ich nicht hergeben?
  4. Womit will ich nicht in Kontakt kommen?
  5. Habe ich Angst, einen Schritt in eine neue Freiheit zu tun?

Asthma

Fragen, die der Asthmatiker sich stelIen sollte:

  1. In welchen Bereichen will ich nehmen, ohne zu geben?
  2. Kann ich mir bewußt meine Aggressionen eingestehen, und welche Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung, sie zu äußern?
  3. Wie gehe ich mit dem Konflikt "Dominanz / Kleinheit" um?
  4. Welche Lebensbereiche werte und wehre ich ab? Kann ich etwas von der Angst spüren, die sich hinter meinem Bewertungssystem verschanzt hat? Welche Lebensbereiche versuche ich zu meiden, welche halte ich für schmutzig, niedrig, unedel? Nicht vergessen: Wann immer die Enge spürbar wird - es ist Angst! Das einzige Mittel gegen Angst ist Ausdehnung. Ausdehnung geschieht durch Hereinlassung des Gemiedenen! [19]


 
 
ANMERKUNGEN
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[1]
vgl.: Klumbies, G.: (1974) Psychotherapie in der Inneren und Allgemeinmedizin, S. 349 . Leipzig
[2]
vgl.: Böttcher, H.F. u. Kroemer, G.: (1988) Psychotherapeutische Mitbehandlung des Asthma bronchiale, in: Z. gesamte inn. Med., H. 2, S. 43 ff. . Leipzig
Müller, K.P. u. Fischer, J.F.: (1987) Asthma und Psyche, in: Mitteilungsblatt 1 der Gesell. f. Bronchopneumologie und Tuberkulose d. DDR, S. 3 f. . o.O.

[3]
vgl.: Klumbies, a.a.O., S. 354
Schaeffer, G. u. Freytag-Klinger, H.: (1975) Zur Objektivierung der Wirkung des Autogenen Trainings auf die gestörte Ventilation bei Asthma bronchiale, in: Psychiatr. Neurol. Med. Psychol. 27, S. 400 f. . Leipzig
Blaha, H.: (1987) Bronchitis- und Asthmasprechstunde, S. 64 ff. . Berlin

[4]
vgl.: Boencke, F.: (1989) Atmung und Asthma, Vortragsmanuskript . Rosdorf (unveröffentl.)
[5]
vgl.: Schultze-Werninghaus, G. u. Debelic, M.: (1988) Asthma, S. 192 . Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo
[6]
vgl.: Weiner, H.: (1977) Psychobiology and human diseases, S. 233 ff. . New York
[7]
vgl.: Maaz, H.J.: (1990) Zum Konzept der körperorientierten dynamischen Gruppenpsychotherapie, in: Wiss. Zeitschrift d. HUB, Reihe Med., H. 1 . Berlin
Schüffel, W., Herrmann, J.M., Dahme, B. u. Richter, R.: (1986) Asthma bronchiale, in: Th. v. Üxküll (Hrsg.), Psychosomatische Medizin . München, Wien, Baltimore
Venner, M.: (1986) Therapie psychosomatischer Erkrankungen, in: K. Hoeck u. M. Vorwerg (Hrsg.), Psychotherapie und Grenzgebiete, Bd. 7 . Leipzig

[8]
vgl.: Deter, H.-Ch.: (1986) Psychosomatische Behandlung des Asthma bronchiale, S. 8 . Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo
[9]
vgl.: Schultz-Hencke, H.: (1970) Lehrbuch der analytischen Psychotherapie . Stuttgart
[10]
vgl.: Hess, H. u. Hoeck, K.: (1988) Vergleichende Untersuchungen zur Psychopathologie bei Asthma bronchiale, S. 42 ff., in: K. Hoeck u. M. Vorwerg (Hrsg.), Psychotherapie und Grenzgebiete, Bd. 6 . Leipzig
[11]
vgl.: Miller, H. u. Baruch, D.: (1948a) Some paintings by allergic patients in group psychotherapy and their dynamic implication in the practice of allergy, in: Intern. Arch. Allergy 5, S. 60 ff. . o.O.
Miller, H. u. Baruch, D.: (1948b) Psychological dynamics in allergic patients as shown in group and individual psychotherapy, in: J. Consult. Psychol. 12, S. 111 ff. . o.O.

[12]
vgl.: Boysen, G.: (1987) Über den Körper die Seele heilen . München
Braehler, E. (Hrsg.): (1986) Körpererleben . Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo
Lowen, A.: (1986) Bio-Energetik . Bern, München, Wien
Petzold, H. (Hrsg.): (1987) Die neuen Körpertherapien . Paderborn

[13]
Reich, W.: (1973) Charakteranalyse . Frankfurt a. M.
[14]
vgl.: Lowen, A. u. L.: (1983) Bioenergetik für Jeden . o.O.
Zöller, J.: (1987) Das Tao der Selbstheilung . o.O.

[15]
vgl.: Wilda-Kiesel, A.: (1987) Kommunikative Bewegungstherapie . Leipzig
[16]
vgl.: Wilda-Kiesel, A.: (1987) Kommunikative Bewegungstherapie . Leipzig
[17]
vgl.: Middendorf, I.: (1987) Der erfahrbare Atem . Paderborn
[18]
vgl.: Speads, J.: (1983) Atmen . München
[19]
vgl.: Dethlefsen, Th. u. Dahlke, R.: (1988) Krankheit als Weg . München
 
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